Benjamin löste sich als erster aus seiner Erstarrung und sprach: „Dann statten wir unserer Majestät also mal einen Besuch ab und hoffen auf das Beste!“
Er setzte seinen Fuss auf den, eher unwegsamen Pfad und die anderen folgten ihm. Die Landschaft um sie herum, wirkte grotesk und unwirtlich. Überall lag Geröll und eigenartige Felsformationen, ragten wie Wächter, in die vor Hitze flimmernde Luft.
„Lange hielte man es hier ohne die Gewänder nicht aus,“ sprach Pia. „Wie es wohl im Inneren des Schlosses aussieht?“
Diese Frage wurde ihr schon ziemlich bald beantwortet. Denn als sie vor dem mächtigen Portal des Schlosses standen, welches mit glühenden Reliefs verziert war und diese versuchten aufzustossen, schleuderte sie eine gewaltige Flammenwand, welche auf einmal aus dem Nichts aufgetaucht war, zurück. Die Gefährten wurden nach hinten katapultiert und gegen einige nahe liegende Felsen geschleudert. Dank der Gewänder blieben sie zwar unversehrt, aber es verschlug ihnen doch, für einen Moment lang, den Atem.
„Sehr einladend!“ meinte Benjamin trocken, erhob sich wieder und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Währenddessen verschwand die Feuerwand wieder.
„Wirklich eine tückische Falle!“ murmelte Malek. „Scheinbar ist unser Feuerkönig ein wenig paranoid.“
„Also die Gewänder funktionieren zumindest,“ meinte Micha optimistisch. „Was machen wir jetzt?“ wollte Pia wissen. Benjamin schaute sich die Sache etwas genauer an. Dann nahm er einen mittelgrossen Stein in die Hand und warf diesen auf dem Boden vor dem Portal. Sogleich erscheinen erneut dichte Flammen und der Stein wurde davon hinfort geschleudert. Die Freunde duckten sich, um davon nicht getroffen zu werden.
„Also das Feuer scheint aus dem Boden zu kommen,“ stellte Benjamin fest. „Wir müssten es irgendwie blockieren, aber ich sehe nirgends eine Vorrichtung.“
„Vermutlich kann man die Falle nur aus dem Inneren des Feuerschlosses heraus deaktivieren,“ gab Malek zu bedenken.
„Das würde eigentlich Sinn machen. Also wie stellen wir das an…?“ Ben dachte einen Augenblick lang angestrengt nach, dann meinte er: „Wir bräuchten etwas sehr Schweres, das nicht so einfach weggeschleudert werden kann. Der Felsblock dort drüben wäre ideal, aber wie bringen wir ihn jetzt am besten zum Portal…?“
„Da kann ich euch bestimmt behilflich sein,“ sprach Malek. „Ich kann meine Magie gebrauchen.“
„Sehr gut! Dann bring doch den Felsen bitte hier herüber!“
„Alles klar!“ Malek hob seine Arme und murmelte ein Zauber- Formel. Wie von Geisterhand, wurde der Felsen nun in die Luft gehoben. Micha und Manuel schaute tief beeindruckt zu, wie Malek den Felsen zum Portal schweben liess und ihn an den angegebenen Stelle absetzte. Gleich darauf schlugen wieder Flammen aus dem Boden, aber der Felsen war zu schwer um zurückgeschleudert zu werden und so entstand, dort wo er lag, eine Art Bresche in der Feuerwand.
„Schnell!“ rief Benjamin. „Wir müssen über den Felsen klettern bevor das Feuer ihn doch noch zerstört. Er beginnt bereits zu glühen und irgendwann zerspringt er von der Hitze!“
Die Gefährten liefen auf das Portal zu und setzten über den Felsblock, der bereits bedrohlich unter den heissen Flammen ächzte.
Als alle sich hinter der Feuerwand befanden, sprach Malek eine weitere Formel und der Felsen rollte wieder zurück. Sogleich verschwand auch die Feuerwand. „Da neben der Tür, hat es einen Art Hebel,“ bemerkte Ben. „Das ist vermutlich der Schalter, mit dem man den Mechanismus deaktivieren könnte. Wenn wir hier wieder rausgehen, werden wir ihn vielleicht noch brauchen.“
Malek nickte zustimmend und nun blickten sich alle neugierig um. Sie fanden sich in einem hell erleuchteten, mittelgrossen Raum wieder. Die Wände glühten und da und dort züngelten Feuerflammen aus dem Boden. „Wassilio lebt hier ja sehr gemütlich,“ meinte Benjamin sarkastisch. „Der Gute hat bestimmt niemals Heizprobleme.“ Seine Begleiter lachten und nickten zustimmend.
„Und wohin jetzt?“ fragte Pia.
„Viele Möglichkeiten gibt es nicht, da ist nur ein einziger Gang, der ins Innere des Palastes führt.“
Die Gefährten durchquerten mehrere Räume. Diese sahen alle sehr ähnlich aus, wie der erste. Überall tummelten sich Feuergeister und blickten ihnen teilweise neugierig, mit ihren glühenden Augen hinterher. Einrichtungsgegenstände wie Möbel gab es allerdings nicht, was auch nicht verwunderlich war.
Schliesslich betraten sie einen mächtigen Saal, in dessen Mitte sich eine gewaltige Feuersäule befand, die vom Boden bis zur Decke reichte. Neugierig musterten sie diese. „Was hat es damit wohl auf sich?“ fragte Pia. „Keine Ahnung,“ gab Benjamin zurück. „Ich frage mich wirklich, wo sich dieser Wassilio aufhält.“
„Er ist vor deiner Nase!“ donnerte eine ungehaltene Stimme.
Die Feuersäule geriet in Bewegung und aus ihr löste sich eine Gestalt heraus. Sie nahm immer festere Konturen an und kurz darauf stand eine überaus eindrucksvolle Erscheinung vor ihnen. Es handelte sich dabei um einen mächtigen Mann mit orangeroter Haut. Seine Gewänder wallten wir Flammen um seinen Körper und auf dem Kopf trug er eine, reich mit gelben Edelsteinen und Gold, geschmückte Krone. Seine Augen leuchteten hell-golden und tausend Funken tanzten darin. Er richtete seinen durchdringenden Blick nun auf die Freunde.
„Bist du… der Feuerkönig Wassilio?“ frage Benjamin etwas verdattert. „Natürlich! Wer denn auch sonst? Wie kommt ihr überhaupt hierher? Ist meine Feuer-Explosions Wand, etwa nicht mehr intakt?“
„Doch, doch. Aber wir haben einen Weg hinein gefunden, ausserdem tragen wir die Gewänder der Klarheit, so kann uns Feuer sowieso nichts anhaben.“ Wassilio hob seine Hand mit einer schnellen Bewegung und ein Feuerstrahl drang aus seinen Fingern, welcher Benjamin traf und zurückwarf.
„Hej! Was soll das?“ fragte dieser ärgerlich, während er sich wieder aufrappelte.
„Ach ich wollte nur mal testen, ob ihr wirklich die heiligen Gewänder tragt.“ „Natürlich! Sonst würden wir es ja nicht sagen!“
„Die Gewänder sind wirklich der Hammer!“ sprach Micha und klatschte in die Hände.
Wassilios Augen fixierten den Jungen „Was bist denn du für ein Wicht?“ „Mein Name ist Micha!“ erwiderte der Angesprochene furchtlos.
„Diese drei sind aus der Menschenwelt, sie heissen Pia, Benjamin und Manuel und das da ist der grosse Zauberer Malek, mein Lehrmeister.“ „Pia und Benjamin..,“ murmelte Wassilio, „diese Namen kommen mir irgendwie bekannt vor. „Es waren schon mal zwei Menschen hier im Feuerreich, die so hiessen…“
„Ja, das waren wir!“ rief Pia. „Wir haben damals das Feuerreich von der bösen Hexe Xantie gerettet.“
Der Feuerkönig musterte die Geschwister erneut . „Ihr seht verändert aus.“
„Damals waren wir ja auch noch Kinder, jetzt sind wir erwachsen.“
„Wirklich? Wie viele Jahre sind seither vergangen?“
„Zwanzig.“
„Ach schon wieder zwanzig Jahre rum! Wo bleibt bloss die Zeit?“ Dann wurde der Blick von Wassilio wieder streng: „Ihr nehmt mich aber nicht auf den Arm, oder?“
„Nein, das würden wir niemals wagen!“ „Ich rate es euch auch nicht. Ist mein Zorn nämlich erstmal entfesselt, dann können euch auch diese… Zaubergewänder nicht mehr schützen.“
„Das glauben wir gern,“ meinte Pia in einschmeichelndem Tonfall. „Aber du kannst uns wirklich glauben. Wir sind Pia und Benjamin, man nennt uns auch die Grossen Führer.“
„Ein mächtiger und heiliger Titel, damit treibt man keinen Schabernack.“
„Sie treiben keinen Schabernack!“ mischte sich nun Malek etwas ungehalten ins Gespräch. „Sie sind die Grossen Führer und diesmal brauchen sie deine Hilfe. Eigentlich dachte ich, du weisst bereits von unserer Ankunft. Immerhin bist du der Feuerkönig und in direkter Verbindung mit dem Elementarfürsten des Feuers und damit mit der allumfassenden Ordnung. Hat er dir denn nichts gesagt?“
„Er hat schon eine Weile nicht mehr mit mir gesprochen,“ meinte Wassilio und senkte verlegen den Blick. „Ich glaube…er ärgert sich über mich.“
„Was meinst du damit?“
„Er erträgt wohl meine Launen nicht mehr.“
„Deine Launen?“
„Ja. Ich hatte in der letzten Zeit auch immer eine miese Laune wegen diesem… Valiocha.“
„Valiocha?“
„Ja, der verderbte Lavadrachen. Er setzt mir und meinem Volk im Augenblick sehr zu. Überall stiftet er Unruhe und frisst sogar die Salamander. Dadurch wird er immer stärker, seiner Energie unerschöpflich. Valiocha ist nicht wie die anderen Drachen, welche in den Vulkanen und Lavaflüssen leben. Diese sind eigentlich harmlos, sind sogar so etwas wie Haustiere für mich. Aber Valiocha ist anders. Er ist viel intelligenter, aber auch gefährlich, verschlagen und machthungrig. Ich wusste einfach nicht, was ich gegen ihn tun kann. Ich habe schon manches versucht, aber nichts hat gefruchtet. So wurde ich immer missgelaunter und mein Fürst ist mir dann einfach nicht mehr erschienen. Ich kann aber, wenn ich so eine Stimmung habe, einfach nicht über meinen Schatten springen… Naja, eigentlich habe ich ja gar keinen Schatten, aber wie auch immer! Ohne den Beistand meines Fürsten und die Hilfe der allumfassenden Schöpfer-Macht, bin ich nur ein halber Feuer-König. Ich fühle mich so ohnmächtig und hilflos. Es tut mir leid, dass ich deswegen nichts von eurer Ankunft gewusst habe.“ „Das ist schon in Ordnung,“ meinte Pia mitfühlend. „Mach die deswegen keine Gedanken. Vielleicht können du und wir uns ja gegenseitig etwas helfen.“