„Vor einigen Monden,“ berichtete Tartaloz, „erkrankte, wie ihr wisst, auf einmal unser grosser Elfenfürst und Seher Markuloz. Kurz darauf griff uns Darkuloz das erste Mal an. Damals konnten wir ihn mit vereinten Kräften zurückschlagen, doch er hat immer wieder kleine Scharmützel gegen uns unternommen, um uns mehr und mehr zu schwächen. Schliesslich baten wir unsere befreundeten Sippen des Waldelfenvolkes um Hilfe. Viele von ihnen kamen auch und standen uns bei. Doch danach wurden auch ihre Dörfer von Darkuloz und seinen Schergen angegriffen. Einige Kinder, Frauen und auch Männer wurden von unseren Widersachern entführt und versklavt. Als Markuloz dann starb und Makraloz ebenfalls von unseren Feinden gefangengenommen wurde, zerfiel die Sippengemeinschaft jedoch mehr und mehr. Unsere Elfenvettern wurden durch die Ereignisse sehr verunsichert und unterwarfen sich Darkuloz teilweise sogar. Für unsere Sippe kam das keinesfalls in Frage. Seither leben wir in ständiger Furcht, Darkuloz könnte uns irgendwann endgültig besiegen. In unserer Not beschloss ich, zusammen mit einer kleinen Fraktion, ins Kristallschloss zu reisen um dich, Hungoloz nach Hause zu holen. Doch dann warst du ebenfalls an dieser schrecklichen Seuche erkrankt. Das war ein herber Schlag für uns, denn in diesen dunklen Zeiten, hätten wir so dringend einen starken Anführer gebraucht. Einen Anführer, den auch alle anderen Sippen achten und respektieren und am wichtigsten: dem sie bereit sind zu folgen. Nachdem wir Markuloz und Makraloz bereits verloren haben, bist du unsere letzte Hoffnung.“ Er schaute den blonden Elfen flehend an: „Bitte, du musste etwas unternehmen, mein Fürst! So geht es nicht mehr weiter! Die verschiedenen Stammesfürsten, fürchten um das Leben ihrer Kinder, Frauen und Männer. Und noch schlimmer, sie fürchten um ihre Existenz. Wenn wir nicht endlich etwas tun, dann zerfällt das Waldelfenreich und Darkuloz reisst alle Macht an sich! Sollten wir diese Situation nicht endlich in den Griff kriegen, verlieren wir alles, was uns lieb und teuer ist.“
Hungoloz schaute nachdenklich und erschüttern, in seinen nun leeren Becher, als hoffe er, auf dessem Grund die Antworten auf alle Fragen zu finden. Dann sprach er: „Habt ihr schon einmal versucht, mit Darkuloz zu verhandeln?“
Tartaloz erwiderte bekümmert: „Bisher nicht, aber ein paar andere Sippen, haben es versucht. Darkuloz liess jedoch nicht mit sich reden. Er stellte unsere Vettern vor die Wahl, sich ihm entweder zu unterwerfen oder zu sterben. Die Dörfer jener, die nicht bereit waren, ihn als ihren neuen Herrscher und Fürsten anzuerkennen, wurden allesamt dem Erdboden gleich gemacht. Wir wissen… einfach nicht mehr weiter.“
Er wandte sich nun auch an Pia und Benjamin „ihr habt uns doch schon einmal geholfen. Habt ihr vielleicht eine Idee, was wir machen könnten?“ Benjamin überlegte. „Vielleicht sollten wir doch nochmals versuchen, mit Darkuloz zu verhandeln. Immerhin ist Hungoloz der Enkel des wichtigsten Mannes im Waldreich. Womöglich lenkt Darkuloz ein, wenn er merkt, dass dieses nun wieder einen starken Anführer hat.“ „Ich weiss nicht…“ meinte Tartaloz „Ich zweifle daran, dass dieser finstere Geselle mit sich reden lässt.“
„Und doch müssen wir es nochmals versuchen,“ stimmte Hungoloz Benjamin zu. „Markuloz hätte das bestimmt auch gewollt. Ihm war es immer sehr wichtig, dass eine friedliche Lösung, für alle, gefunden wurde, das machte ihn auch zu so einem grossen, weisen Anfrührer. Aber sicher können wir natürlich nicht sein. Darum müssen wir nochmals probieren, die anderen Sippen zu mobilisieren. Womöglich werden sie noch einmal an unserer Seite kämpfen, wenn sie hören, dass ich wieder auf den Beinen bin.“
„Aber wie willst du die anderen Sippen benachrichtigen?“ fragte Tartaloz. „Die Häscher von Darkuloz, treiben sich überall in den Wäldern herum. Ein Bote würde niemals durchkommen.“
„Dafür hat mein Grossvater einst ein besonderes Zeichen mit unseren Vettern ausgemacht,“ sprach Hungoloz. „Es handelt sich dabei um ein Rauchzeichen, das nur den Anführern der Sippen bekannt ist und womit die verschiedenen Stämme, einander um Hilfe ersuchen können.“
„Ein Zeichen? Davon wusste ich nichts,“ meinte Tartaloz etwas vorwurfsvoll. „Es wurde auch nur ganz wenigen anvertraut,“ sprach er. „Mir hat das Markuloz vermutlich nur anvertraut, weil er glaubte, dass ich einst Stammesfürst werde. Eigentlich hatte ich ja vor, im Kristallschloss zu bleiben und mich, zusammen mit Lumniuz, um Ululalas Nachlass zu kümmern. Es scheint jedoch so, als sei hier mein Platz. Zumindest bis wir das Problem mit Darkuloz gelöst haben.“
Benjamin nickte und sprach: „Wie also sollen wir, deiner Meinung nach, vorgehen Hungoloz?“
Der blonde Elf fragte, an Tartaloz gewandt. „Habt ihr eine Karte, von den verschiedenen Waldgebieten?“
„Ja hier drüben!“ Tartaloz ging zu einer Kommode und holte eine Karte aus der Schublade. Diese breitete er auf dem Tisch aus. Hungoloz studierte sie eingehend. „Wir hörten von einem der Baumgeister, dass Darkuloz und seine Anhänger ihr Lager im Westen des Waldes haben. Weisst du etwas darüber?“
„Ich habe es vermutet,“ gab Tartaloz zurück „aber sicher war ich mir nicht.“ Hungoloz sprach nachdenklich: „Wir werden nicht darum herumkommen, ihren Standort genauestens ausfindig zu machen. Darum muss alles gut vorbereitet werden. Ich denke, wir könnten folgendes tun…“
Die Strategiegespräche, dauerten bis tief in die Nacht hinein. Schliesslich um die zweite Stunde nach Mitternacht, fielen Pia und Benjamin todmüde in ihre Betten im oberen Stock des Hauses und schliefen sogleich ein.
Als sie bei den ersten Strahlen der Morgensonne, die durch die Wipfel der mächtigen Bäume des Märchenwaldes fiel, erwachten, gingen sie sogleich hinaus auf die Terrasse, um sich erst einmal richtig umzuschauen. Sogleich erschraken sie jedoch sehr, denn der Wald war längst nicht mehr das, was er einst gewesen war. Schon unzählige Bäume in und um das Dorf der Elfen, waren krank oder bereits abgestorben. Einige Haustrümmer lagen noch herum. Sie stammten von den Baumhäusern, die dem Waldsterben zum Opfer gefallen waren. Ausserhalb des hölzernen Walls, den Hungoloz‘ Sippe errichtet hatte, sah es noch schlimmer aus als innerhalb des Dorfes. Dort gab es kaum mehr gesunde Bäume und das grüne Blätterdach, dass früher seinen wundervollen Schatten gespendet hatte, war durchlässig geworden, wie bei einem Winterwald.
Heilung der Bäume
„Aber… das ist ja schrecklich!“ rief Pia „Ich ahnte nicht, dass es so schlimm ist! Wie sollen wir auch all diese Bäume heilen?“ „Wir werden uns zuerst die Bäume innerhalb der Holzbarrikade vornehmen,“ meinte Benjamin, um einen zuversichtlichen Ton bemüht. „Wenn es klappt, dann suchen wir uns jene Bäume aus, die nicht gar so krank sind und hoffen, dass sie einen Teil der Medizin, über ihre Wurzeln, zu ihren nahestehenden Artgenossen transportieren können. Die Lindenfrau sagte doch, dass die Bäume alle miteinander verbunden sind. Das könnte für uns von Nutzen sein. Gleich nach dem Frühstück, fangen wir mit den ersten Bäumen an.“
Pia nickte und sie und ihr Bruder stiegen die Treppe zur Waldlichtung hinunter, wo sich alle Stammesangehörigen, jeweils zum gemeinsamen Mahl, um die grosse Feuerstelle versammelten.
Als sie unten angekommen waren, erhob sich aufgeregtes Gemurmel unter den Elfen und kurz darauf, waren die Geschwister von einer ganzen Truppe, der spitzohrigen, hochgewachsenen Wesen umringt. Sie wurden mit Fragen bestürmt, man klopfte ihnen freundschaftlich auf die Schultern und die Luft schwirrte vor Freude und Leben.
Die Geschwister hielten nach Hungoloz Ausschau, doch er war noch nirgends zu sehen.
Tartaloz gesellte sich fröhlich lachend zu ihnen. Er wurde begleitet von einem schlaksigen, hochgewachsen, etwa 16- jährigen Elfenjüngling, der ihnen irgendwie sehr bekannt vorkam. Pia dämmerte es zuerst. „Runkoloz!“ rief sie „bist du es wirklich?“ Der Jugendliche, welcher bei ihrem ersten Besuch im Märchenreich, erst sechs Jahre gezählt hatte, strahlte vor Freude und seine dunklen Augen blitzten, als er zu den Geschwistern trat und sie spontan umarmte. „Ihr seid zurückgekommen! Welch eine Freude! Ich habe sehr oft an euch gedacht und so gehofft, dass ich euch einst wiedersehe. Nun ist es tatsächlich wahr geworden!“
Benjamin erwiderte lächelnd „Ja, das Märchenreich lässt uns wohl nicht ganz los. Schön wäre nur, wir wären unter weniger unerfreulichen Umständen hier.“
Runkoloz nickte etwas bekümmert. „Ja, es sind gerade schwierige Zeiten. Wenn ihr irgendwie Unterstützung braucht, egal um was es sich handelt, ich stehe euch jederzeit zur Verfügung. Ich kann auch kämpfen, wenn es sein muss.“ „Wir hoffen natürlich, dass es nicht zu weiteren Kämpfen kommt, aber wenn doch, dann wüssten wir dich lieber hier in Sicherheit.“
„Ich weiss nicht, ob es überhaupt noch einen Ort gibt, der sicher ist,“ sprach der junge Elf. „Ausserdem schwinden unsere Kräfte immer mehr, seit so viele Bäume krank wurden oder abgestorben sind. Früher haben sie ihre Kraft mit uns geteilt, wir waren eins mit ihnen und sie mit uns, doch nun… wird es immer schwieriger mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Dies ist ein grosser Verlust für unser Volk und… es gibt bisher nichts, was wir dagegen tun könnten.“ „Wir werden versuchen die Bäume mit der Medizin der Feuerblumen zu heilen,“ sprach Pia entschlossen. „Wir wissen, das dunkle Mächte hier am Werk sind und sollte die Quelle all dieser Seuchen, dieselbe sein, werden die Feuerblumen ihren Zweck auch bei den Bäumen erfüllen. Gleich nach dem Frühstück probieren wir es aus.“