Ein wichtiger Hinweis
Als die drei wieder ans Ufer kletterten, atmeten sie tief auf. „Ist doch wunderschön wieder einmal ausserhalb des Wassers, in freier Natur, zu sein!“ sprach Benjamin.
„Das stimmt!“ schwärmte Pia. „Erst jetzt merke ich, wie sehr mir das alles gefehlt hat. Die Unterwasserwelt ist zwar ebenfalls wunderschön, aber sie ist nun mal nicht unser Lebensraum. Jetzt hätte ich direkt Lust, unter freiem Himmel zu übernachten. Es ist so schön warm und die alte Eiche, von deren Geist ich damals die Wundereicheln erhalten habe, würde uns einen guten Schutz gegen den Wind bieten. Was meint ihr? Wollen wir unter der Eiche schlafen und dann Morgen früh wieder ins Juwelenschloss zurückkehren?“
„Ja, warum auch nicht. Es ist sowieso schon ziemlich spät,“ stimmte Malek zu. „Ich zaubere uns ein paar weiche Decken und etwas zu Essen herbei.“
„Das klingt doch super!“ freute sich Pia und machte sich sogleich, Richtung der alten Eiche, auf den Weg.
In kurzer Zeit erreichten sie ihr Ziel. Sie richteten sich ein gemütliches Lager her und entzündeten ein Feuer. Bald darauf sassen sie einträchtig beisammen, gewärmt von dessen goldorangen Flammen. Malek zauberte, wie versprochen, ein paar Leckereien herbei. Eine Weile assen sie schweigend, während sie verträumt ins Feuer blickten und ihren eigenen Gedanken nachhingen.
Schliesslich begann Pia wieder zu sprechen: „Und was tun wir als nächstes?“ Ben überlegte eine Weile und erwiderte dann: „Ich glaube, wir sollten schauen, dass wir endlich einen der vier Greife finden. Wir müssen unbedingt diesen Schlüssel für Obislavs Welt auftreiben, bevor es die Ritter tun. Nur, wo beginnen wir am besten mit dem suchen?“
„Erlaubt mir, dass ich euch einen Vorschlag mache!“ ertönte, über ihnen, auf einmal eine wohlklingende Stimme.
Die Freunde schauten erschrocken nach oben und erblickten ein freundliches, furchiges Gesicht, dass sich ein Stück über ihren Köpfen aus dem Stamm der Eiche herausgeschält hatte. Schliesslich erschienen auch noch zwei Arme und zwei Beine und am Ende stand die Eichenfrau, in ihrer ganzen Grösse, vor ihnen. Ihre aus Eichenblättern gefertigte Kleidung raschelte leise, während sie auf die Freunde zukam. Auf ihrem Haupt trug sie die übliche, mit Eicheln geschmückte Haube und ihre tiefgrünen Augen, blicken die drei freundlich an.
Diese erhoben sich nun und Pia sprach ehrfürchtig: „Sei gegrüsst, grosser Geist der Eiche! Es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen!“
Der alte Baumgeist lächelte wohlwollend und erwiderte: „Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Aber wart ihr letztes Mal nicht einer mehr?“
„Das ist richtig. Letztes Mal war noch unser Freund Manuel bei uns. Er ist aber diesmal im Kristallreich geblieben.“
Der Baumgeist nickte leicht, dann fragte er: „Und nun… mein liebes Kind, hast du meine Eicheln schon gebrauchen können?“
Pia griff in ihre Tasche und holte die beiden übriggebliebenen Wunderfrüchte hervor. „Ich habe erst eine der drei gebraucht. Sie war sehr nützlich.“
„Das freut mich. Irgendwann wirst du bestimmt die restlichen beiden auch noch verwenden können.“
Sie wandte sich nun an Malek und Benjamin: „Seid mir alle herzlich willkommen! Mein Name ist übrigens Eylana und wie ihr ja bereits wisst, bin ich neuerdings auch die Wächterin der sieben Sphärentoren. Eins davon habt ihr ja bereits benutzt, als ihr ins Feuerreicht reisen musstet. Ich habe gerade gehört, wie ihr über die Greife gesprochen habt und ich glaube, ich kann euch weiterhelfen.“
„Wirklich!?“ rief Pia begeistert und ihre Wangen glühten vor Aufregung.
„Ja,“ lächelte Eylana. „Ich habe eines dieser Geschöpfe vor kurzem gesehen. Durch eines der sieben Tore in meinem Reich. Das war gestern. Er flog hoch am Himmel. Dort zog er mehrere, weite Kreise und dann verschwand er wieder. Sein Gefieder war, so glaube ich, goldbraun. Ich sah ihn aber leider nur aus weiter Ferne. Dennoch, ein Greif war es definitiv.“
„Das sind ja wundervolle Neuigkeiten!“ rief Benjamin. „Kannst du uns zeigen, wo das war?“
„Natürlich, dafür bin ich ja schliesslich gekommen. Folgt mir!“
Der Baumgeist trat nun wieder zum Stamm seiner Heimateiche und strich, mit einer sanften Handbewegung, über dessen raue Rinde. Plötzlich erschien eine Öffnung, aus der milchiges Licht strömte. Es sah ganz ähnlich aus, wie damals, als sie durch die Baumpforte auf dem Heiligen Berg, ins Reich der Eichefrau gelangt waren.
„Gebt einander die Hände und folgt mir!“ sprach der Eylana.
Sie ergriff mit ihrer furchigen Hand, jene von Pia und die anderen, hielten sich wiederum an Pia fest. Der Baumgeist trat nun langsam durch die Öffnung in dem alten Stamm und einen Augenblick lang, kam es den drei Freunden vor, als würde sie durch ein feines Spinnennetz gehen.
Instinktiv strichen sie sich übers Gesicht, doch dann standen sie auch schon im Inneren der Eiche!
Erneut waren sie tief beeindruckt, von dem märchenhaften, geheimen Reich, dass sich nun vor ihnen öffnete. Durch einen schummrigen Gang gelangten sie zu dem wundervollen Garten, in welches sich die Eichefrau vorzugsweise aufhielt.
Die sieben Portale erleuchteten alles mit ihrem Schein.
Eylana führte sie zu einer der Pforten, hinter welcher die Freunde eine fruchtbare, grüne Landschaft, mit dichten Wäldern und grünen Wiesen erblickten.
„Dort draussen am Himmel, habe ich den Greif gestern erblickt,“ sprach die Eichenfrau und zeigte mit ihrem Finger in die angegebene Richtung.
„Irgendwie kommt mir dieser Ort bekannt vor,“ murmelte Benjamin. „Ich weiss nur noch nicht recht woher. Am besten wir schauen uns mal etwas dort um.“
Er wandte sich nochmals an den Baumgeist und sprach: „Wir danken dir von Herzen, Wächterin der sieben Tore! Wenn wir in der Welt da draussen wirklich eine Greif finden sollten, dann hast du uns einen sehr grossen Dienst erwiesen.“
„Ich hoffe sehr, ihr werden Glück haben, grosse Helden!“ erwiderte Eylana. „Jedenfalls stehen euch diese Pforten stets offen, wenn ihr sie braucht.“
„Dafür sind wir dir sehr dankbar, gütiger Geist!“ sprach Pia bewegt.
Die drei hoben nochmals die Hand zum Abschiedsgruss, dann durchquerten sie das Sphärentor und fanden sich sogleich in einem kleinen Wäldchen wieder!