„Wie aber, geht es eigentlich dir?“ fragte Pia deshalb. „Du siehst irgendwie traurig aus.“
„Ach, ich will euch nicht auch noch damit belasten,“ erwiderte die Priesterin ausweichend. „Ihr habt jetzt wirklich Wichtigeres zu tun.“
Benjamin sprach: „Wir würden aber gerne wissen, was dich beschäftigt. Bisher haben wir die ganze Zeit nur über uns gesprochen. Bitte verzeih!“ „Ach was, es gibt nichts zu verzeihen!“ wehrte Triandra ab. „Ich weiss, wir wichtig eure momentane Mission ist. Ich komme schon zurecht.“
„Wir würden aber gerne erfahren, was los ist,“ sprach Pia diesmal wieder. „Bei dir muss sich scheinbar einiges verändert haben. Früher lebtest du doch noch in einem Tempel, in einem der Trollen- Dörfer.“
„Ja, das stimmt. Ich lebte damals im Dorf des Halbmondes.“
Erinnerungen zuckten, einmal mehr, durch den Geist der Geschwister. Sie sahen vor sich ein malerisches, grünes Tal. In der Mitte dieses Talkessels befand sich eine dichte Ansammlung halbmondförmiger Häuser, aus hellem, etwas gelblichen Gestein, welche in mehreren Kreisen um ein grösseres Gebäude herum angeordnet waren. Diese Gebäude war der Tempel bzw. das Gebetshaus des Dorfes. Es war igluförmig, mit einem kleinen Türmchen obendrauf. Triandra hatte damals in einigen privaten Räumlichkeiten dieses Tempels gelebt, der einst dem Elementarfürsten des Feuers geweiht worden war. Triandra war damals die spirituelle Führerin der hier lebenden Trollensippe gewesen. Nun jedoch lebte sie völlig abgeschieden hier in diesem, für Trolle eher unüblichen Behausung.
Was nur hatte es damit auf sich?
Die Priesterin meinte nun: „Tatsächlich habe ich einst, zusammen mit meiner Sippe, in diesem malerischen Dorf gelebt. Doch seither hat sich eine Menge verändert…“ Sie wirkte nun noch trauriger und senkte ihren Blick, um ihre Tränen zu verbergen. „Leider… musste ich mein Priesterinnen- Amt vor einiger Zeit aufgeben und hier an diesen Ort fliehen. Trion, den ihr sicher noch von damals kennt, half mir dabei, eine sichere Bleibe zu finden. Seither lebe ich als Bäuerin getarnt, hier, an diesem verlassenen Ort.“
Das Bild eines etwas älteren, gedrungenen Trolls mit kurzem, dunkelbraunem Haar, sanften Augen und einer der üblichen, roten Knollennasen, erschien vor dem inneren Auge der Geschwister. Erschrocken fragten sie: „Aber warum, musstest du denn fliehen?“
„Das ist eine sehr traurige, erschütternde Geschichte. Ihr wisst ja, dass die Trolle allgemein eine eher kriegerische Vergangenheit haben. Sie waren einst ziemlich gefürchtete Kämpfer und viele Sippen waren damals verfeindet. Ihr kennt ja die tragische Geschichte, des Ursprungs der Trollblumen.“
„Ja, wir erinnern uns.“
„Lange lebten meine Sippe und ich, in Frieden, mit den meisten anderen Trollen zusammen, denn uns war es ein Anliegen, dass sich eine Geschichte, wie diese der Trollblumen niemals wiederholt. Doch leider, kehrte, vor allem in den letzten Monaten, die Aggression und der Jähzorn bei manchen Vertretern meines Volkes wieder zurück. Es kommt mir seither vor, als wäre die Welt verrückt geworden.
Es gibt da z.B. einen neuen Trollen- Anführer, er nennt sich Triobald. Dieser hat sich selbst sozusagen zu einem Reformator ernannt. Er will viele der uralten, teils barbarischen und kriegerischen Trollbräuche wieder aufleben lassen, handkehrum will er aber einige religiöse Bräuche, die bisher dazu beitrugen, den Frieden zu bewahren, ausmerzen. Bei einigen der weniger wichtigen Bräuche, mag das ja noch in Ordnung sein, aber…, dass er nun sogar angefangen hat, Leute wie mich, auf so grausame Weise zu verfolgen, ist einfach schrecklich. Viele Sonnenpriester und Sonnenpriesterinnen, mussten deswegen schon ihr Leben lassen. Ich bin eigentlich nur dank Trion noch am Leben.“
Triandra blickte wieder auf und ihr Gesicht drückte tiefsten Kummer aus. „Das ist ja schrecklich!“ sprachen die Geschwister und Malek erschüttert. „Das hat bestimmt auch mit diesen finsteren Rittern zu tun, die in den Welten ihr Unwesen treiben,“ meinte Pia.
„Allerdings sind die Ritter gerade alle ziemlich geschwächt,“ widersprach Malek. „Ich glaube kaum, dass sie sich von den Kämpfen mit uns und dem Erden- Greif schon erholt haben.“
„Das kann man bei diesen Mistkerlen nie so genau wissen,“ sprach Ben nachdenklich.“ Dann wandte er sich wieder an die Priesterin: „Denkst du, dass Triobald vielleicht besessen ist, oder so?“
„Das… kann ich nicht so genau sagen. Eigentlich ist er ja eher das Paradebeispiel eines Trolles der alten Garde und ich glaube, er denkt wirklich, dass er das Richtige tut. Er findet, ich und meinesgleichen, seien von ihrem ursprünglichen Auftrag als Trolle abgewichen, indem wir so pazifistisch geworden sind. Dabei haben meine Sippe und ich einfach gelernt, unsere extreme Charakterzüge, wie den Jähzorn oder unsere kriegerische Natur, etwas mehr zu kontrollieren und damit der Gewaltbereitschaft unseres Volkes zu entsagen. Wir haben uns mehr auf den spirituellen Weg ausgerichtet, versucht möglichst viele Friedensverträge mit anderen Mitgliedern unseres Volkes zu schliessen. Doch Triobald glaubt, dass wir wieder mehr so werden sollten, wie es einstmals vom grossen Schöpfer erdacht worden sei.“
„Das ist doch Unsinn,“ sprach Pia und ihre beiden Begleiter nickten zustimmend. „Es ist doch im Sinne des Grossen Geistes, dass die Geschöpfe in Frieden und Eintracht miteinander leben und dazu muss jedes von ihnen an seinen negativen, zerstörerischen Eigenschaften arbeiten. Darum ist es nie der richtige Weg Krieg zu führen, auch wenn es manchmal Situationen gibt, in denen dies der einzige Ausweg zu sein scheint. Schliesslich sind wir alle Eins und müssen wieder zueinander finden.“
„Da bin ich ganz deiner Meinung,“ pflichtete ihr Triandra bei. „Darum stimmt es schlichtweg nicht, dass ich und meine Getreuen dem Grossen Geist untreu geworden sind. Ich Gegenteil, wir haben ihm unsere Liebe bewiesen, indem wir an uns gearbeitet und uns weiterentwickelt haben. Das ist in der heutigen Zeit, umso wichtiger. Doch Triobald scheint das einfach nicht einzusehen. Er kann überhaupt nicht verstehen, warum wir die Legende der Trollblume immer noch so ernst nehmen, dabei haben damals unsere Vorfahren ja auch entschieden Frieden miteinander zu schliessen, nachdem die schreckliche Tragödie mit dem jungen Trollenpaar passiert ist. Diese Legende ist darum so wichtig für unser Volk! Triobald jedoch, tut diese als einen Art Aberglauben ab. Ausserdem teilt er meine Ansichten über die Umwälzungen in den Welten und das neue Zeitalter, das danach kommen wird, nicht. Er bezeichnet mich als verrückte Endzeitprophetin, welch das Trollen- Volk durch Angstmacherei manipuliere.
Aber… ihr drei habt meine Annahmen, über die bevorstehenden Umwälzungen, ja ebenfalls bestätigt. Das mit den Rittern stimmt und dass uns noch einiges an Herausforderungen bevorstehen werden, stimmt auch. Mir war es stets ein Anliegen, meinem Volke die Wahrheit zu vermitteln und ihnen gleichzeitig Hoffnung zu geben, indem ich ihnen von der Liebe und dem wundervollen Beistand unserer Elementarfürsten und unseres Schöpfers berichtet habe. Und ausgerechnet jetzt, da es so wichtig wäre, dass ich meinem Volke spirituellen Beistand leiste, beginnt Triobald mich und meinesgleichen auf so schreckliche Art und Weise zu verfolgen und stiftet wieder Unfrieden zwischen den verschiedenen Sippen. Viele Trolle verlieren dadurch das einstige Ziel erneut aus den Augen. Dabei wäre es so wichtig, jetzt in diesen Zeiten, zusammenzuhalten und die Sünden der Vergangenheit durch gute Taten aufzuwiegen.“
„Das ist wirklich eine schreckliche Geschichte,“ meinte Pia tief erschüttert. „Du hättest uns davon schon vorher berichten sollen.“
„Ja,“ pflichtete Benjamin seiner Schwester bei. „Du und deine Getreuen, brauchen scheinbar dringend unsere Hilfe und wir werden euch auch helfen.“
„Ihr wollt uns wirklich helfen?“ fragte Triandra und in ihrem Gesicht spiegelten sich die unterschiedlichsten Emotionen. Sie waren eine Mischung aus Erleichterung und Schulbewusstsein. „Aber…, ihr habt doch einen so wichtigen Auftrag. Ihr müsst dafür sorgen, dass die drei bösen Ritter nicht noch mehr Macht erhalten.“
„Ja. Wir werden darum auch zuerst den Greif aufsuchen,“ sprach Ben. „Dieser ist ein sehr mächtiges, weises Geschöpf und vielleicht kann er uns sogar bei der Sache mit Triobald und seinesgleichen beistehen. Vielleicht weiss er ja auch einen Rat.“
„Das ist sicher eine gute Idee,“ pflichtete Triandra bei. „Ich danke euch so sehr!“
„Danke uns noch nicht zu früh, noch haben wir nicht wirklich einen Plan.“ „Ich bin dennoch sicher, dass wir zusammen eine Lösung finden,“ meinte Triandra „Ich glaube ganz fest an euch!“