Hungoloz nickte bewegt und nahm den Ersatzschmuck wieder an sich. Pia half der Nymphe spontan beim Anlegen des wiedergefundenen Colliers.
Miowa lächelte ihr dankbar zu und seufzte auf, als die Kette wieder um ihren schlanken Hals lag. „Ich habe sie so sehr vermisst. Ihr müsst wissen, dieses Collier bedeutet mir sehr viel, denn in ihm steckt eine ganz besondere Kraft. Die Kraft aller, die vor mir diesen Teich bewacht haben. Darum war es ein schrecklicher Verlust, als es mir gestohlen wurde.“
„Das kann ich mir gut vorstellen,“ erwiderte Pia verständnisvoll. „Der Dieb wusste bestimmt gar nicht, was er dir mit diesem Diebstahl antat.“
„Ich hätte das Collier eben niemals ablegen dürfen. Der Dieb muss es damals auf dem Stein in der Nähe des Ufers gefunden haben, als ich es kurz dort zurückgelassen hatte. Ich sah ihn gerade noch damit davonlaufen, es war eindeutig ein Elf, aber ich konnte ihn nicht richtig erkennen.
Ich wagte nicht ihm zu folgen, denn wenn wir Nymphen das Gewässer, in dem wir leben, zu lange verlassen, dann kann das schwerwiegende Folgen haben, wie damals bei meiner Vorgängerin.
Sie machte einstmals den grossen Fehler, einem Elfen, der ihr Interesse, beim Bad in ihrem Teich geweckt hatte, zu folgen. Das Collier, das ihre Kraft stärken sollte, liess sie jedoch in ihrer Unterwasserhöhle zurück. Sie war zu lange von ihrem Heimat- Teich entfernt und das Vergessen… kam über sie.“
„Das Vergessen?“ wollte Benjamin neugierig wissen.
„Ja, sie vergass, wer sie wirklich war und verliebte sich unsterblich in den stattlichen Elfen. Sie vergass dabei natürlich auch, über den Teich zu wachen und dessen Wasser wurde dadurch schlecht.“
„Das stimmt,“ meinte Hungoloz „einmal hat Markuloz mir eine Geschichte darüber erzählt, dass das Wasser des Teiches einst, in einem heissen Sommer, verdorben worden war. Er und die andern Dorfbewohner vermuteten, dass irgendein grosses Tier in den Teich gefallen war und dessen Leichnam es verpestet hatte. Eine Weile mussten sie deshalb das Wasser aus dem naheliegenden Bach holen. Dort war das Wasser noch immer gut.“
„Das ist richtig." bestätigte Miowa. „Die Bachnymphe, die den Bach bewohnte, vermutete, dass etwas mit dem Teich nicht stimmen konnte, denn sie fand es eigenartig, dass die Waldelfen nun plötzlich nur noch bei ihr das Wasser holten. Sie entschied sich, der Sache auf den Grund zu gehen und stellte fest, dass der Teich ohne seinen Hüter- Geist war. Sofort ergriff sie Notmassnahmen, um das Wasser im Teich wiederherzustellen und bat dann die Baumgeister, nach ihrer Nymphen- Schwester Ausschau zu halten. Schliesslich wurde meine Vorgängerin gefunden. Sie und der Elf waren mittlerweile ein Paar geworden und sie wusste nicht mehr, wer sie wirklich war. Als sie sich einst im Bach wusch, klärte sie die Bachnymphe über ihre Herkunft auf und Mandalina erinnerte sich schliesslich wieder daran, wer sie eigentlich war.
„Mandalina?“ rief Hungoloz aus. „Hast du Mandalina gesagt?!“
„Ja,“ erwiderte Miowa etwas erschrocken.
„Ich habe von ihr gehört. Ich… kenne den Elfen, in den sie sich verliebt hat. Er hat mir diese Geschichte vor kurzem erzählt. Er…“ Hungoloz riss sich gerade noch zusammen, um nichts von dem Kind zu erzählen, das Makraloz mit Mandalina gezeugt hatte und sprach dann weiter. „Er hat sie wirklich sehr geliebt, aber dann auf einmal habe sie gemeint, dass er und sie nicht zusammenpassen und sie verliess ihn. Er verstand damals die Welt nicht mehr.“
Miowas Augen verengten sich. „Natürlich musste sie ihn verlassen. Denn sie hatte ihr eigenes Todesurteil unterschrieben, indem sie ihm gefolgt war.“
„Ihr Todesurteil?“ fragte Pia erschrocken und ein Schauder rieselte über ihren Rücken.
„Ja. Sie war zu lange von ihrem Gewässer abgeschnitten. Früher oder später musste sie krank werden und sterben. Das ist das Los von uns Nymphen, denn wir sind an unseren Lebensraum gebunden. Darum dürfen wir niemals zulassen, dass uns das Vergessen ereilt. Es war dumm von Mandalina dem Elfen zu folgen und sich auch noch in ihn zu verlieben.“
„Dann ist sie also gestorben?“
„Ja leider. Weil sie sich dem Vergessen ausgeliefert hatte, konnte sie nicht mehr zurück in ihr Gewässer und das besiegelte ihr Schicksal. Ich wurde kurz darauf ihre Nachfolgerin. Seither bewache ich diesen Teich und jetzt da ich auch das geheiligte Collier wiederhabe, werden meine Kräfte neu erstarken. Dafür danke ich euch.“
„Das…mit Mandalina… ist eine sehr traurige Geschichte,“ sprach Hungoloz, während seine Gedanken rasten. Die Geliebte seines Vaters, war also eine Nymphe gewesen! Sein Vater hatte sich in eine Nymphe verliebt und zusammen hatten sie Tartaloz gezeugt! Mandalina hatte das Kind in die Obhut von Bankraloz und seine Frau geben müssen, weil sie zum Tode verurteilt gewesen war. „Vermutlich fühlte sie sich nicht imstande, Makraloz zu sagen, dass sie sterben würde und darum schwieg sie auch über das Kind. Ein Kind, das es eigentlich niemals hätte geben dürfen und doch ist es dessen Schicksal gewesen zu leben und irgendwann in den Schosse seiner wahren Familie zurückzukehren...“
„Hungoloz! Hungoloz!“ drang aus weiter Ferne die Stimme von Pia an sein Ohr. „Ist alles klar bei dir?“
Als würde er aus einem lebhaften Traum erwachen, blinzelte der junge Elf und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Alle Augen waren besorgt auf ihn gerichtet.
„Jaja, alles gut!“ beschwichtigte er sie. „Ich war nur gerade etwas in Gedanken versunken.
Ich glaube, wir sollten jetzt sowieso ins Dorf zurückkehren. Es ist schon fast ganz dunkel.“
Er verneigte sich nochmals ehrerbietig vor der Nymphe, die nun wieder ins Wasser zurückgekehrt war und diese lächelte freundlich. „Leb wohl König des Waldes,“ sprach sie. „Möge der Segen des Grossen Geistes mit dir sein!“ Sie wandte sich nun an Pia und Benjamin und sprach „und auch mit euch Grosse Führer!“
„Wir danken dir, oh Blume der Wasser!“ entgegnete Benjamin respektvoll. „Wir sind sehr glücklich, dass wir dir dein geliebtes Collier wieder zurückbringen konnten und es erfüllt uns mit Freude, dass der Frieden zwischen dir und dem Waldvolk nun nochmals gefestigt worden ist.“
„Das ist er wahrlich,“ versicherte ihm die Nymphe.
Sie hob noch einmal die zarte Hand zum Gruss, wandte sich dann ab und kurz darauf, war ihr hellhäutiger Körper in den kühlen Fluten des Teiches verschwunden.