Die Tage in dem einsamen Haus vergingen nur sehr schleppend. Manuel hatte zwar alles was er zum Überleben brauchte, aber die Einsamkeit und Langeweile, begannen langsam an ihm zu nagen und noch immer liess sich niemand blicken, der mit ihm endlich das angekündigte Training beginnen konnte. So lange das Wetter noch gut war, konnte er wenigstens etwas die Gegend erkunden, obwohl… viel gab es da nicht zu sehen. Er ging mehrmals, mit den Schneeschuhen, herüber zu dem kleinen Waldstück und suchte nach dem Bach, von dem der Greif gesprochen hatte. Doch bis er diesen, fast ganz verborgen unter der hohen Schneedecke, schliesslich ausfindig machen konnte, dauerte es eine ganze Weile. Das Wasser war jedoch sehr frisch und schmeckte einiges besser als der geschmolzene Schnee. So füllte er einige Behälter mit diesem Wasser ab und brachte diese dann nach Hause. Auch sammelte er in dem Wald ab und zu etwas Holz. Dieses band er jeweils mit einigen Schnüren zusammen und schnallte sich das Bündel auf den Rücken, um es zu transportieren. Einmal kletterte er sogar auf einen der grösseren Bäume hinauf, um sich einen noch besseren Überblick über seine Umgebung zu verschaffen. Weit in der Ferne entdeckte er einige Häuser, die an einem breiten Fluss lagen. Das musste die Siedlung sein, von der der Feuer- Greif gesprochen hatte. Gerne wäre er dorthin gegangen, aber lange Zeit wagte er es nicht, sich weiter als auf Sichtweite, von seinem Quartier zu entfernen. Denn nach wie vor bestand die Gefahr, dass er sich verirrte, da er sich kaum auskannte.
Es dauerte wohl auch zu lange die Siedlung zu erreichen und es, vor Anbruch der Nacht, wieder zurück in die Hütte zu schaffen. Er würde auf jeden Fall eine Karte und einen Kompass brauchen, wenn er dieses Abenteuer in Angriff nahm. So stellte er die ganze Hütte und auch den Schuppen auf den Kopf, um nach den beiden unerlässlichen Gegenständen zu suchen. Und tatsächlich! Nach einiger Zeit wurde er sogar fündig. In einer Kiste im Schuppen, fand er unter allerlei Werkzeugen, eine alte, bereits ziemlich vergilbte Karte und einen Kompass, der sogar noch funktionierte. Nun war er froh, dass er in der Schule bei verschiedenen Orientierungsläufen gelernt hatte, mit Karte und Kompass umzugehen. Sofort breitete er die Karte auf seinem Tisch in der Hütte aus und studierte sie eingehend. Er hoffe sehr, dass sie auch wirklich aktuell war. Ausserdem war jetzt im Winter, alles viel schwieriger, denn es gab nur sehr wenige, markante Punkte, nach denen man sich orientieren konnte. So blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich auf die Himmelrichtung, in der die Stadt lag, zu verlassen. Dabei würde ihm der Kompass gute Dienste leisten.
Es war nun bereits der dritte Tag, seit er hier angekommen war und wenn das Wetter mitmachte, dann würde er schon bald seine Reise in die Siedlung antreten können. Doch das alles musste gut geplant sein. Im äussersten Notfall konnte er ja auch in der Siedlung übernachten, wenn er es zeitlich nicht zurückschaffte. So packte er alles Nötige in einen Rucksack, unter anderem auch einige Utensilien, um ein Feuer zu entfachen und etwas Geld. Er wollte sich vorerst mit den Schneeschuhen auf den Weg machen, die Skier aber dennoch mitnehmen. Diese würde er sich auf den Rücken schnallen. Am besten wäre natürlich ein Schlitten gewesen, doch so etwas gab es hier leider nicht. Nun… so weit weg war Turuchansk ja nicht. Die Karte zeigte ihm an, dass da auch noch der Fluss Jenissei war, an dem er sich, auf halber Strecke, ebenfalls orientieren konnte. Wenn er diesen Fluss erreichte, konnte er diesem in nördlicher Richtung folgen und so früher oder später in der Siedlung eintreffen.
So ging er guten Mutes zu Bett und schlief sogleich ein.
In der Nacht jedoch, wurde er durch das Pfeifen und Heulen des Windes geweckt. Er blickte aus den Fenster und sah mit Schrecken, dass draussen ein gewaltiger Schneesturm tobte. Dieser trieb dichte Schneewogen vor sich her und Manuel stellte fest, dass sein Haus tatsächlich drohte, ganz eingeschneit zu werden. Das war gar nicht gut! Er zog sich seine Jacke und die Handschuhe über, packte die Schaufel, die er zum Glück neben der Eingangstür deponiert hatte und versuchte nach draussen zu gelangen. Der Schnee lag bereits so hoch, dass er richtig Mühe hatte die Tür aufzukriegen, dazu kam noch der eisige Wind, der dagegen drückte. Als er es dann doch schaffte, nach draussen zu gelangen, raubte ihm die Kälte und das Schneegestöber beinahe den Atem. Verzweifelt begann er zu schaufeln, während der Schnee, ihm ins Gesicht peitschte.
Schliesslich musste er jedoch vor dem schrecklichen Sturm und den eisigen Temperaturen kapitulieren und wieder ins Haus zurückkehren. Er konnte jetzt nur hoffen, dass der Sturm nicht mehr allzu lange dauern würde.
Dieser tobte aber tatsächlich die ganze Nacht hindurch und auch am nächsten Tag, schneite es noch weiter. Es war trüb und neblig und man konnte nur noch wenige Meter weit sehen. Die Tür konnte Manuel nicht mehr öffnen. Doch wenigstens konnte er noch aus einem der Fenster klettern. Er packte die Schaufel und begann erneut damit Schnee zu schippern. Er schaufelte und schaufelte und es war unglaublich anstrengend. Doch schliesslich hatte er die Tür wieder freigeräumt. Hundemüde fiel er an diesem Abend ins Bett und schlief sogleich tief ein.
Zum Glück stürmte es die kommende Nacht nicht mehr weiter und am darauffolgenden Morgen, blitzte sogar die Sonne etwas hinter den trüben Wolken hervor. Das war ja nochmals gut gegangen.
Die kommenden Stunden brachte der junge Mann erneut mit Schaufeln zu. Ausserdem hackte er auch noch etwas Holz. Am Ende des Tages, taten ihm dann buchstäblich alle Knochen weh und er hatte schrecklichen Muskelkater. Er war solch harte Arbeit, einfach nicht gewöhnt. Mit Erstaunen stellte er jedoch fest, dass er, trotz der schrecklichen Anstrengungen, ein richtiges Hochgefühl verspürte. Er hatte wirklich den Eindruck etwas geleistet, etwas geschafft zu haben und das liess ihn optimistisch in die Zukunft blicken.