Neue Herausforderungen
Das grosse Freudenfest im Reich der Erdgnomen, neigte sich langsam dem Ende zu und Pia, Benjamin und ihre Freunde, zogen sich nach und nach in ihre Gemächer zurück.
Sogleich liessen sich die Geschwister in die, für sie eigenes vorbereiteten, weich ausgepolsterten Schlafnischen fallen.
Das Klima hier unter der Erde war angenehm und es herrschte immer ungefähr dieselbe Temperatur. Langsam verstummten alle Geräusche im Zentralviertel und am Ende hörte man nur noch das Prasseln der langsam erlöschenden Feuer und das leise Tropfen von Wasser, das von den Wänden und Decken herabrann und sich teilweise in kleineren und grösseren Becken sammelte. Diese sanften Geräusche lullten die Geschwister mehr und mehr ein und schliesslich fielen sie in einen tiefen, wohltuenden Schlaf.
Am nächsten Morgen dann, verabschiedeten sich die drei Freunde von Mungoluz, Lumniuz und den anderen und suchten dann den Greifen auf. Dieser brachte sie, wie versprochen, zurück ins Kristallschloss. Die Reise war erstaunlich kurz und als sie zur Landung ansetzten, klopfte vor allem Pias Herz, wie wild. Sie freutes sich so sehr, Hungoloz wiederzusehen. Der Greif landete auf einer der breiteren Aussenterrassen des Schlosses und dort erwarteten Pias Liebster und dessen Bruder Tartaloz, sie bereits. Die Frau sprang als Erste vom Rücken des gewaltigen Mischwesens und lief auf den Waldelfen zu. Überglücklich fielen die beiden sich in die Arme. Auch die anderen begrüssten einander herzlich und nachdem sich alle nochmals ausführlich beim Wasser- Greif bedankt hatten, flog dieser wieder davon.
Bei Tee, Kaffee und Kuchen, berichteten sie einander dann von allem, was sich zugetragen hatte und was sie als Nächstes vorhatten.
„Ihr habt jetzt also tatsächlich den Schlüssel in Obislavs Welt?“ fragte Hungoloz.
„So ist es.“
„Dann werdet ihr euch wohl schon bald der nächsten, gefährlichen Prüfung gegenübersehen…“
Tiefe Besorgnis spiegelte sich in den Augen des blonden Waldelfen, als er das sagte.
Pia erwiderte, während sie ihren Arm um ihn legte: „Mach dir keine Sorgen, wir haben nun die geeignete Waffe um Obislav zu vernichten. Die vier Greife haben den Dolch von Aurelia nochmals aufgewertet. Er ist jetzt noch viel stärker geworden.“
„Trotzdem… ich mache mir schon ziemliche Sorgen. Vielleicht wäre es besser, ich begleite euch.“
„Du willst uns begleiten? Aber das ist viel zu gefährlich! Obislav hat ganz besondere Kräfte und du trägst schliesslich keins der Gewänder der Klarheit. Du wärst dem bösen Zauber dieses finsteren Geistes, hilflos ausgeliefert. Sogar uns ermahnte der Greif, dass wir sehr auf der Hut sein müssen. „Deshalb, bleib lieber hier mein Liebster.“
„Aber… das kann ich nicht. Ich will dir helfen.“
„Pia hat recht,“ mischte sich Malek ins Gespräch. „Es ist zu gefährlich, wenn man keins der magischen Gewänder trägt. Ausserdem wirst du gerade hier im Schloss gebraucht. Ich werde Pia und Benjamin ja auch wieder begleiten.“
„Das ist auf jeden Fall beruhigend, aber trotzdem…“
„Es wäre mir um einiges lieber, wenn ich dich hier in Sicherheit wüsste,“ fuhr Pia fort. „Sonst mache ich mir nur ständig Sorgen. Wir dürfen die Macht Obislavs nicht unterschätzen. Er ist schliesslich das böse Pendant zu Aurelia der Kristallfrau, welche überaus mächtig ist und es gibt einen Grund, warum man ihn einst so gut eingesperrt hat.“
„Das Ganze gefällt mir überhaupt nicht,“ beklagte Hungoloz. „Was, wenn dir etwas zustösst und ich nichts davon erfahre?“
„Vergiss nicht, wir waren schon mal in der Unterwelt, als der Herr der Finsternis diese noch regierte. Auch gegen die Ritter haben wir schon oft sehr erfolgreich gekämpft. Da werden wir mit Obislav noch allemal fertig. Ausserdem… wie gesagt, wir sind durch die Gewänder der Klarheit geschützt, du bist es jedoch nicht.“
„Sie hat recht,“ kam nun auch Tartaloz, Pia zur Hilfe. „Ohne ein Gewand der Klarheit, ist das alles viel zu gefährlich. Du hast hier noch so viele Aufgaben zu erfüllen. Das Waldreich braucht dich und auch das Kristallschloss braucht dich gerade sehr.“
Hungoloz seufzte schwer. „Also gut, dem kann ich wohl nicht viel entgegenhalten. Wenigstens werdet ihr von Malek begleitet. Er kann euch mit seiner Magie zusätzlich schützen und euch im Kampfe beistehen.“ „Genau, so ist es,“ der Magier klopfte dem Waldgnomen beruhigend auf die Schulter „und wir werden uns durch die kleine Kristallkugel auch weiterhin regelmässig bei euch melden.“
Hungoloz nickte, sagte jedoch nichts weiter dazu.
„Ach übrigens!“ meldete sich Benjamin zu Wort. „Da wir gerade von Kristallkugeln reden… Wäre es vielleicht möglich, dass ich Sara kontaktieren könnte?“
„Das sollte eigentlich schon möglich sein. Nofrete hat auch eine Kristallkugel. Ich wollte sie sowieso noch kontaktieren.“
„Also gut, damit würdest du mir sehr helfen Malek.“
Tatsächlich klappte es problemlos, den Kontakt mit Nofrete aufzunehmen. Als sie und Malek eine Weile miteinander gesprochen hatten, rief dieser Benjamin zu sich und die Prinzessin informierte Sara darüber, dass er gerne mit ihr sprechen wolle.
„Du kannst die Kugel mit in dein Zimmer nehmen,“ sprach Malek, dann können du und Sara in Ruhe reden. Ich müsste sie Morgen einfach wieder haben.
Benjamin war ausser sich vor Freude, als er Saras erhitztes, glückliches Gesicht in der magischen Kugel erblickte. Er und seine neue Liebste hatten sich zwar regelmässig in der Nacht auf der Sternenbrücke getroffen, doch sie durch die Kugel zu sehen, war nochmals anders.
Sie redeten ebenfalls bis tief in die Nacht hinein miteinander und er erklärte ihr, was er als nächstes vorhatte. Natürlich machte sich Sara auch ziemliche Sorgen um ihn. Doch da sie wusste, dass Malek ja auch mit von der Partie sein würde und er und die Geschwister die Gewänder trugen, liess sie sich beruhigen. Schliesslich verabschiedete sich das Liebespaar schweren Herzens und die Übertragung der Kugel endete.
Benjamin blieb einen Moment lang seufzend auf seinem Bettrand sitzen und stellte sich vor, Sara wäre ganz nahe bei ihm. Dann legte er sich hin und schlief erfüllt von den wundervollen Gedanken an seine Liebste schliesslich ein.
Mitten in der Nacht wurde er jedoch urplötzlich aus dem Schlaf gerissen! Die Kristallkugel, neben seinem Bett, flackerte unruhig und leuchtete immer wieder auf. Eine undeutliche Stimme drang aus ihr hervor: „Malek, Malek! Bist du da? Hier ist Pete. Hallo, Malek? Wir brauchen dich!“
Sogleich war Benjamin hellwach und griff nach der Kugel, in der sich nun immer deutlicher Petes Gesicht abzeichnete.
„Hallo?“ fragte er. „Bist du das Pete?“
Michas Vater war ziemlich aufgelöst und als er nun Benjamin, anstelle von Malek erblickte, wirkte er ziemlich verzweifelt.
„Ben? Bist du das? Wo ist Malek?“
„Er hat mir die Kristallkugel für diese Nacht ausgeliehen, um mit Sara zu sprechen.“
„Ach so, das erklärt manches. Ich muss aber unbedingt mit Malek sprechen. Wir haben hier… in seinem Reich einige Probleme. Sie haben erst vor kurzem begonnen und… wir wissen ehrlich gesagt nicht, was wir tun sollen. Könntest du Malek darüber informieren?“
„Ich denke, er schläft bereits. Ist es denn wirklich so dringend?“
„Ja, sehr dringend. Wir brauchen ihn und seine Kräfte hier. Das sind diese… seltsamen Drachen. Es werden immer mehr und sie lassen sich kaum töten. Micha, der sich mit Drachentöten auskennt und auch viele andere, sind leider fort.“
„Micha ist fort?“ fragte Ben erschrocken. „Ist ihm etwas passiert?“
Er erhob sich, zog sich einen Mantel über und machte sich auf den Weg zu Maleks Gemach, während er sich weiterhin mit Pete unterhielt.
Dieser sprach: „Da waren diese weissen Schiffe. Leuchtende Wesen steuerten sie, welche unsere ganze Familie und viele andere, an einen sicheren Ort mitnehmen wollten. Da war diese Stadt… im Himmel. Nicht alle haben sie gesehen. Micha und ich jedoch schon. Er kämpfte dann gegen einen dieser Drachen. Die Sylphen halfen ihm dabei. Doch nun sind sie wieder weg. Ich beschloss, hier weiterhin die Stellung zu halten, doch da ahnte ich noch nicht, dass es noch mehr von diesen schrecklichen Monstern gibt. Es sind untote Drachen, die man nur töten kann, wenn man sie enthauptet. Doch wie sollten wir das jemals bewerkstelligen können? Darum brauchen wird Malek hier. So schnell wie möglich!“
„Okay, okay, das klingt übel. Ich werde Malek gleich wecken.“
Benjamin war nun beim Gemacht des Magiers angelangt und klopfte zuerst mehrmals an die Tür. Als jedoch niemand reagierte, drückte er die Klinke herunter. Zum Glück war es offen.
Malek lag tief schlafend in seinem Bett. Ben lief zu ihm und rüttelte ihn wach. Schlaftrunken öffnete der Magier die Augen. „Was ist denn?“ fragte er etwas ungehalten.
„Da ist Pete… in der Kristallkugel! Es gibt Probleme in deinem Reich.“ „Probleme?“ Malek war nun ebenfalls hellwach und griff nach der Kugel. Pete berichtete ihm in kurzen, prägnanten Sätzen alles, was sich zugetragen hatte und der Zauberer wurde dabei immer bleicher. Ben der alles mitanhörte, war ebenfalls tief erschüttert.
„Alles klar Pete!“ sprach Malek schliesslich „bleib ganz ruhig! Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Haltet die Stellung, bis ich da bin.“ Michas Vater nickte und die Kugel erlosch wieder.
„Da scheint es eine schlimme Invasion von irgendwelchen Drachen zu geben. Sie sollen so etwas wie untot sein. Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als zurück in mein Reich zu gehen und Pete und die anderen zu unterstützen. Zum Glück sind wenigstens viele aus meinem Volk in die Himmelsstädte gebracht worden. Dort sind sie in Sicherheit.“
„Aber… dann habt ihr doch viel zu wenig Leute.“
„Es wird schon gehen. Bestimmt steckt da wieder irgendeine dämonische Macht dahinter. Ihr müsst euch jetzt jedoch endlich um Obislav kümmern. Ich werde dann, so schnell als möglich, wieder zu euch stossen. Wir bleiben in Kontakt!“ Mit diesen Worten machte sich Malek daran eine weitere Sphärenwanderung anzutreten. Benjamin blieb indes ziemlich ratlos zurück.