Wiedersehen mit der Eichenfrau
In der Welt des Feuers
Erstaunt blickten sich die Gefährten, in der wundersamen Welt um, die sie gerade betreten hatten. Es war ein wunderschöner Garten, in dem alle erdenkliche Blumen standen. Inmitten des Gartens stand eine Pergola. Alles wurde vom Licht der sieben Pforten erleuchtet. Eine dieser Pforten hatten sie gerade durchschritten.
„Weiter vorne ist ein Gang, durch den ich das erste Mal herkam. Schaut mal, sogar dort hat es Blumen, aber sie leuchten in der Dunkelheit!“ meinte Pia enthusiastisch.
„Das ist ja unglaublich!“ sprach Malek und schaute sich fasziniert um. „Niemals hätte ich zu glauben gewagt, dass man wahrlich in das Innere eines Baumes gelangen kann und es dort sogar eine Welt, wie diese hier, gibt.“
„Es scheint als sei dieser Ort so etwas wie eine Schnittstelle, bei der viele, verschiedene Welten zusammenkommen,“ sprach Pia „und die Bäume bilden die Tore, ist das nicht wunderbar? Sie sind verbunden, alles ist irgendwie verbunden und wir werden nun unmittelbar Zeuge dieser Verbindung.“
„Damit hast du recht!“ vernahmen sie hinter sich eine wohlklingende Stimme. Vor ihnen stand die Eichenfrau mit einen weiten, aus Eichenlaub gefertigten Gewand und einer Krone aus Blättern, Eicheln und Blumen. Besonders Micha und Manuel, schauten sie mit offenem Munde an. Sie konnten kaum fassen, was sie da sahen.
„Bist du etwa…“ stotterte Micha.
„Ja, ich bin der Geist einer uralten Eiche, welche im Reich der hundert Juwelen steht. Ausserdem bin ich vor kurzem zur Wächterin der sieben Pforten berufen worden.“
Sie wandte sich nun an Pia: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns schon so bald wiedersehen werden und erst noch mit Anhang!“
„Die Alte Windfrau sagte uns, dass wir eine deiner Pforten benutzen sollen, weil Micha hier, noch nicht in andere Welten kann. Scheinbar jedoch ist es wichtig, dass er uns in die Welt des Feuers begleitet.“
„Ihr wollt in die Welt des Feuers?“
„Ja, Aurelia die Kristallfrau meinte, dass es dort eine Blume geben, welche gegen die Seuche, die sich überall in den Welten ausbreitet, helfen kann. Darum müssen wir dorthin. Du sagtest mir doch damals, dass ich jederzeit willkommen sei, auch mit meinen Freunden und dass wir, wenn nötig, eins deiner Portale benutzen können. Nun ist es also so weit.“
„Natürlich könnt ihr das Portal, welches in das Feuerreich führt, gerne benutzen. Immerhin gibt es einige Leben zu retten. Ich hoffe ihr seid erfolgreich und findet diese besondere Blumen, von der du erzählt hast. Dort drüben ist das Tor, welches ihr braucht. Viel Glück!“
„Tausend Dank, liebe Eichenfrau!“ sprach Benjamin dankbar. „Du erweist uns damit einen grossen Dienst!“
„Ich helfe, wo ich kann,“ meinte der Baumgeist, wohlwollend lächelnd. „Schliesslich müssen wir in dieser grossen Zeit des Wandels, alle zusammenhalten. Die Vereinigung des Omniversums ist nahe!“
Pia nickte zustimmend und ging dann zu dem besagten Portal, hinter dem die trockenen, rötlich- gelben Einöden des Feuerreiches lagen. Noch einmal drehte sie sich um und bedankte sich ihrerseits bei der Eichenfrau mit den Worten: „Das ist sehr gütig von dir. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder.“ Dann trat sie durch das Portal, hinüber in das trockene, gefahrvolle Reich des Feuers. Trockene, intensive Hitze empfing sie. Doch die Gewänder der Klarheit schützten sie vor den Extrembedingungen an diesem Ort.
Benjamin sprach: „Mit den Gewändern ist es hier gleich viel angenehmer. Das letzte Mal als wir im Feuerreich waren, hatten wir diese noch nicht und es war ziemlich ungemütlich.“
Pia fügte hinzu: „Nicht weit von hier ist uns damals die Sonnenfee begegnet und hat uns, nachdem wie Xantie die Hexe besiegt haben, zum Feuer der ewig göttlichen Liebe geführt.“
„Hier ist also tatsächlich der Sitz des heiligen Feuers, welches mich damals wieder verwandelt hat,“ meinte Malek voll tiefer Ehrfurcht.
„Das stimmt. Ich weiss nur nicht, ob wir es wiederfinden würden. Vielleicht hat sich die Grotte, worin es sich befand, ja auch wieder geschlossen.“
„Was genau ist eigentlich dieses Feuer der ewig, göttlichen Liebe?“ wollte Micha wissen.
„Es ist ein himmlisches Feuer,“ erklärte Pia „und beinhaltet die ganze Liebe des Göttlichen. Wenn man es berührt, wird man zu einem anderen Wesen. Auch jemand der auf den falschen Pfad gelangt ist, jedoch noch einen Funken Güte in sich hat, der wird von Liebe und Frieden durchdrungen. Man kann schwer beschreiben, wie wundervoll sich das anfühlt.“
„Dank diesem Feuer, bin und zu dem geworden, der ich heute bin,“ fügte Malek bewegt hinzu. „Es war meine Rettung.“
„Vielleicht könnten wir ja mal nachsehen, ob wir dieses besondere Feuer nicht doch wiederfinden könnten,“ schlug Micha vor. „Auch ich würde es sehr gerne sehen.“
„Zuerst müssen wir uns aber um die Feuerblumen kümmern,“ widersprach ihm Ben.
„Das ist zur Zeit das Wichtigste. Wir müssen den Kranken unbedingt helfen, denn wir wissen nicht, wie viel Zeit ihnen noch bleibt.“
Dem konnte Micha nicht widersprechen und so setzten sie ihren Weg fort.
Der Pfad führte über glühendheisses Felsgestein und Geröll.
„Ist da drüben nicht der Felsblock, wo uns einst der Stein Deva erschienen ist?“ fragte Pia an ihren Bruder gewandt.
„Ja genau, du hast recht! Vielleicht kann er uns ja weiterhelfen.“
„Von was für einen Deva sprecht ihr?“ fragte Manuel neugierig. Und die Geschwister berichteten, was sich damals zugetragen hatte:
Pia seufzte: „Ach was täte ich jetzt, für etwas frisches Quellwasser!“ „Mach dir keine Hoffnungen,“ antwortet Benjamin sarkastisch. „So etwas, wirst du hier nicht finden. Hier gibt es nur trockene Erde und kahle, tote Felsen!“
Mit diesen Worten schlug er mit seiner Hand gegen den Felsbrocken.
In diesem Augenblick schoss eine Wasserfontäne aus dem Gestein und bespritze Pia und Benjamin von Kopf bis Fuss. „Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf!!“ donnerte eine tiefe Stimme. Zu Tode erschrocken, starrten die Geschwister auf den Felsblock. Aus diesem löste sich nun, eine mächtige Gestalt. Sie hatte weisses Haar und einen ebensolchen Bart, der bis zum Boden reichte. Ihr Gesicht, war von tiefen Furchen durchzogen. Ihr Körperbau war eher gedrungen und sie besass kräftige, prankenartige Hände. Sie trug ein Gewand, genau in derselben Farbe, wie der Fels. Kleine, graublaue Augen blickten die Kinder an. Diese standen wie erstarrt da und brachten anfangs kein Wort heraus. Pia fasste sich diesmal als Erste wieder und stotterte: „Wer… bist du?“
„Ich bin der Geist dieses Felsens,“ erwiderte das Wesen.
„Wir wussten damals noch nicht, dass auch Steine und Felsen, eigene Seelen haben,“ lachte Pia. „Wir wussten noch so wenig. Doch der Deva, welcher dort in dem Felsblock lebt, hat uns eines Besseren belehrt und er hat für uns sogar eine Wasserquelle entspringen lassen. Leider ist davon heute nichts mehr zu sehen. Es ist wohl einfach zu trocken hier.“
„Dann lasst uns doch mal kurz vorbeischauen, mal sehen ob sich der Steingeist auch diesmal zeigt,“ sprach Benjamin.
Mit diesen Worten trat er ganz nahe an besagten Felsblock heran und legte liebevoll seine Hand auf dessen raue Oberfläche. „Lieber Deva dieses Steins, du hast Besuch! Bist du da?“ rief er dann.
Eine Weile geschah nichts und die Freunde wollten schon enttäuscht weiterziehen, als auf einmal eine tiefe Stimme aus dem mächtigen Findling heraus drang: „Wer seid ihr, dass ihr meinen Schlaf stört?“ sprach die Stimme etwas verärgert und kurz darauf löste sich das bärtige Gesicht des Deva, aus dem grauen Stein. Seine eher kleinen Augen, richteten sich prüfend auf die unerwarteten Gäste. Micha, Manuel und Malek wichen etwas erschrocken zurück und blickten mit geweiteten Augen auf die eindrucksvolle Erscheinung.
Auch Benjamin trat nun ein paar Schritte zurück, damit der Deva ihn auch richtig sehen konnte und erwiderte: „Erkennst du uns nicht mehr? Wir waren schon einmal hier. Damals waren wir auf der Suche nach dem Feuer der ewig, göttlichen Liebe und wir wussten noch nicht, dass Steine auch Geister haben. Du hast uns damals eines Besseren belehrt und sogar eine Wasserquelle für uns entspringen lassen.“
Es war, als würde plötzliche Erkenntnis in den Augen des Devas aufblitzen und ein Lächeln erschien jetzt auf dessen furchigem Gesicht.
„Ja natürlich! Ich erinnere mich an euch! So lange ist das noch gar nicht her.“
„Nun, es sind immerhin 20 Jahre,“ sprach Pia schmunzelnd.
„Ach 20 Jahre, was ist das schon? Aber ihr Menschen altert anders als meinesgleichen. Jedenfalls seht ihr ziemlich erwachsen aus, Kinder seid ihr jedenfalls nicht mehr.“
„Schon lange nicht mehr!“ grinste Ben.
„Und, wie geht es euch so?“
„Uns selbst eigentlich gut, aber es tut sich einiges im Omniversum.“
„Das stimmt. Das ist auch mir nicht entgangen. Ich habe ja schon einiges erlebt, in den vielen tausend Jahren meines Lebens, aber noch selten waren die Wellen so intensiv, wie jetzt und sie bringen einiges an Übel mit sich.“
„Was meinst du genau mit Wellen?“
„Ach das ist ein anderer Ausdruck für Schwingungen. Wir Steingeister nehmen vieles was im Omniversum passiert, wie Wellen wahr, die uns umfliessen und manchmal auch durchfliessen. Eine dunkle Energie breitet sich aus, eine Energie, die ich schon sehr lange Zeit nicht mehr so deutlich gefühlt habe. Irgendetwas braut sich zusammen und das ist vermutlich auch der Grund, warum ihr hier sein, habe ich recht?“
Die Geschwister nickten beeindruckt und erwiderten: „Ja, tatsächlich sind wir deswegen hier. Wie du vielleicht bereits erfahren hast, breitet sich eine schlimme Seuche in den Welten aus. Man sagte uns, dass nur die Feuerblumen etwas dagegen ausrichten können. Allerdings müssen wir, wenn wir sie pflücken wollen, zuerst Wassilio den Feuerkönig aufsuchen, um seine Erlaubnis einzuholen. Weisst du vielleicht, wo wir Wassilio finden könnten?“
„Ja, natürlich kenne ich den Feuerkönig. Er lebt auf seinem Schloss, an den Abhängen des Feuerbergs. Es ist aber sehr gefährlich dort, besonders für Sterbliche wie euch.“
„Wir tragen deswegen die Gewänder der Klarheit. Das sind besondere, magische Gewänder, die uns schützen,“ beschwichtige Benjamin den Deva.
„Aha!“ rief dieser aus. „Dann wart ihr also bei der Mutter der vier Winde? Wie geht es der alten Dame so?“
„Gut,“ gab Ben zurück „du kennst sie also?“
„Ja, natürlich! Wer kennt sie schon nicht?“
„Bist du ihr schon einmal begegnet?“ „Ja, aber das war vor unendlich langer Zeit. Die Geister der Lüfte schauen hier ganz selten vorbei. Sie sorgen nur für den allernötigsten Ausgleich der Winde und dafür, dass dem Feuer nicht ganz die Puste ausgeht. Dann ziehen sie sich wieder ihn andere, eher kühlere Welten, zurück. Viel können sie im Reich des Feuers sowieso nicht ausrichten. Es ist zu heiss und die Gefahr von Sandstürmen ist ausserdem gross. Darum bläst der Wind hier nicht allzu stark.“
„Was auf jeden Fall Sinn ergibt,“ meinte Malek. „Es reicht, wenn sonst schon alles aus den Fugen gerät, durch die vielen, beängstigenden Ereignisse im Omniversum.“
„Ja, es sind schwierige Zeiten,“ stimmte ihm der Deva zu. „Auch die Geister des Feuers, haben mit Problemen zu kämpfen. Aber de Feuerkönig Wassilio kann euch bestimmt mehr darüber sagen.“