„Sei gegrüsst Malek!“ erwiderte der Riese mit einer donnernden, aber nicht unfreundlichen Stimme. „Schön hast du den Weg hierher zurückgefunden. Ich dachte, es wird Zeit, dir mal wieder Bericht zu erstatten.“
Der Magier wirkte nicht sonderlich begeistert, dass der gewaltige, alte Gott ihn hergerufen hatte. Doch er erwiderte: „Also gut, was hast du mir denn so Wichtiges zu berichten?“
„Ich wollte dir nur sagen, dass meine Diener und ich mittlerweile begonnen haben, diesen Ort wieder etwas freundlicher zu gestalten. Wie du siehst, haben wir alle Dämonen gefangen genommen oder vertrieben. Allerdings ist es schwierig an diesem Ort etwas Gescheites zustande zu bringen. Auch wenn wir gegen die Mächte, der hier einst herrschenden Finsternis, siegreich waren, haben wir keine natürlichen Ressourcen, um alles wirklich wieder zum Leben zu erwecken. Dies ist ein dunkler, finsterer Ort ohne Sonnenlicht und abgeschnitten von jeglicher Lebenskraft, Natur etc. Doch um diese verderbten Höllensphären wieder in eine angenehmere Unterwelt umzuwandeln, bräuchten wir einiges mehr, als es unsere Fähigkeiten erlauben. Wir sind hier… doch ziemlich eingeschränkt und… nun ja, du besitzt doch noch immer den Schlüssel, der uns die Rückkehr auf die Oberwelt ermöglichen könnte. Einstmals hast du ja die Truhe mit allen Schlüsseln, vom Herrn der Finsternis geraubt. Nun wollte ich dich bitten uns endlich wirklich die Freiheit zu schenken. Damit wir Wasser, Licht und auch die verschiedensten Pflanzen herbringen können. Die Atmosphäre haben wir einigermassen reinigen können und solange der Herr der Finsternis verschollen bleibt, wird auch niemand mehr in der Lage sein, den früheren Zustand wiederherzustellen. Doch das trübe Wasser, dass du hier in den Kanälen siehst, ist nur ein billiger Abklatsch wirklichen Wassers. Wir haben es durch unsere noch immer geringe, magische Macht und auch einige alchemistische Vorgänge aus dem Blutmeer gewonnen und umgewandelt. Doch es ist noch lange nicht ausreichend, um wirkliches Leben hervorzubringen. Und wenn es auch genügen würde, hier gibt es schlichtweg nichts, das zum Leben erwachen könnte. Keine Samen, keine gute Erde, nichts.“
Der Greif war zutiefst erschrocken. Malek hielt also tatsächlich eine so gewaltige Macht in seinen Händen? Er besass alle Schlüssel der Unterwelt und nun sollte er diesen gewaltigen Riesen und seinen Getreuen, welche einst noch in uralten, von Finsternis geprägten Zeiten gelebt hatten, auf die Erde zurückkehren lassen. Das gewaltige Mischwesen überlegte ernsthaft, ob es sich einmischen sollte. Entschied sich dann jedoch vorerst dagegen, um Maleks Reaktion abzuwarten. Dieser schien ziemlich nervös zu werden und schwieg einem Moment lang nachdenklich.
Schliesslich sprach er aber mit erstaunlich gefasster Stimme: „Du weisst, dass du da sehr viel verlangst, Balorion. Ich weiss, noch von meinem letzten Besuch hier, was du aus der Welt machen würdest, wenn man dich denn gewähren liesse. Darum kann ich dir nicht wirklich vertrauen. Du und deine Getreuen, ihr stammt aus einer ganz anderen Zeit und ihr habt euch damals, in vielerlei Hinsicht, von destruktiven Motiven leiten lassen. Ausserdem kann man ja nicht einmal wissen, ob der Herr der Finsternis nicht doch bald wieder in seinen alten Palast zurückkehren wird, und darum müsst ihr hier weiterhin die Stellung halten. Es ist schon beunruhigend genug, dass ihr den dunklen Fürsten noch immer nicht dingfest machen konntet.“
„Das ist nun mal nicht so einfach. Wie wir bereits besprachen, besitzt der Herr der Finsternis grosse Macht. Er war einst selbst einer der höchsten Wesen des Omniversums, den vier Elementarfürsten ebenbürtig. Bis ihn seine irregeleiteten Gedanken zu Fall brachten.“
„Das weiss ich und darum ist es umso wichtiger, dass du mit deinen Leuten hierbleibst.“
„Du willst uns also nicht in die Oberwelt lassen?“ Balorions Stimme schwoll plötzlich an und bekam einen bedrohlichen Klang. In seinem einen, gewaltigen Auge, erschien dabei ein gefährliches Glühen. Doch Malek sprach, ebenfalls mit magisch verstärkter Stimme: „Willst du etwa noch einmal dein Feuer gegen mich richten Balorion? Noch bin ich es, der den Schlüssel zu deiner Befreiung in Händen hält, vergiss das nicht. Wenn du mich angreifst, nützt dir das gar nichts, im Gegenteil.“
Balorion liess ein ärgerliches Schnauben hören, doch das Glühen in seinem Auge, erlosch wieder. „Nun gut…“ meinte er und man merkte, dass er sich mit aller Macht beherrschte. „Dann werden wir dich wohl erst einmal von unseren ehrenwerten Absichten überzeugen müssen. Denk aber daran, dass wir dir eine grosse Hilfe sein könnten, wenn schon bald die letzte, grosse Schlacht zwischen Gut und Böse toben wird.“
„Noch tun wir alles, um so eine letzte Schlacht zu verhindern,“ erwiderte Malek. „Benjamin, Pia und ich unternehmen was wir können und haben schon einiges erreicht.“
„Dennoch seht ihr euch ganz neuen, noch viel gefährlichen Gegnern gegenüber, als es jemals bisher der Fall war.“
„Du redest von den drei bösen Reitern?“
„Ja genau.“
„Hast du eine Ahnung, ob der Herr der Finsternis sie vielleicht geschickt hat?“ „Nein, die drei Ritter sind etwas anderes. Sie sind viel schlimmer als alles bisher Dagewesene. Ich weiss selbst nicht genau, woher sie kommen. Jedenfalls nicht von hier, das hätten wir gemerkt. Wir haben überall Wachposten aufgestellt. Auch die Rachegeister unterstützen uns dabei. Nein! Die drei Ritter sind aus der Bosheit aller existierenden Lebewesen entstanden und sie konnten sich schliesslich dadurch auch eine Gestalt verschaffen mit der sie nun schlimme Dinge anzurichten vermögen. Die Ritter kommen nicht aus der Unterwelt. Doch werden sie stärker, je mehr Leid und Gewalt es in den Welten gibt. Darum tun sie ja auch alles, um überall Zwietracht zu säen und gebieten über Seuchen und Tod. Vor ihnen erzittert sogar die Todesengel selbst. Du kannst dir also vorstellen, welch üble Gesellen sie sind.“
„Das musst du mir nicht erst erklären,“ gab Malek mit finsterem Blick zurück. „Ich hatte schon einige Konfrontationen mit ihnen. Dennoch kann jede noch so böse Kreatur auf irgendeine Weise zu Fall gebracht werden. Ich vertraue da ganz auf den göttlichen Geist!“
„Göttlicher Geist!“ schnaubte Balorion etwas verächtlich. „Ich glaube nicht so wirklich an diesen Geist und wenn, dann ist es ein schwacher Geist. Immerhin lässt er das alles zu und unternimmt nicht wirklich etwas gegen die Ritter oder den Herrn der Finsternis.“
„Doch das tut er, allerdings oftmals auf eine Art, die deinesgleichen wohl nie wirklich verstehen werden. Wir alle sind für das Omniversum mitverantwortlich und oft wirkt das göttliche Licht auch durch ganz einfache Wesen. Es gibt einen grossen Plan hinter alledem, davon bin ich überzeugt.“ „Nun gut, glaub von mir aus, was du willst!“ sprach der Riese. „Allerdings bleibt immer noch das Problem, dass wir hier in dieser verpesteten Unterwelt, nicht wirklich weiterkommen. Wir brauchen auf jeden Fall irgendeine Lichtquelle, die der Sonne ähnelt und eine Menge Erde und Samen, um das Leben wieder hierher zurückzubringen.“
„Ich werde mal sehen, was sich machen lässt,“ meinte Malek, ohne jedoch wirklich eine Ahnung zu haben, wie das vonstattengehen sollte. „Haltet erst mal weiterhin die Stellung und achtet darauf, dass der Herr der Finsternis und seine Diener nicht mehr in ihr Reich zurückkehren können. Ich muss jetzt wieder gehen, es wird Morgen.“
Der Greif war sehr zufrieden. Malek hatte klug und weise gehandelt und so verliess er dessen Traum wieder. Wenigstens wusste er nun, was Malek bisher verborgen gehalten hatte und als der Zauberer zwischen seinen Pfoten wieder erwachte, nickte er ihm wohlwollend zu.