Die Fühlerschlange (Erpeton tentaculatum) auch Tentakelschlange ist eine Trugnatter aus Südostasien. Das auffälligste und zeitgleich namensgebende Merkmal sind die beiden beschuppten, an Fühler erinnernden, 1,3 bis 1,9 Zentimeter langen Fortsätze oben beiderseits des Mauls.
Sie ist dabei die einzige Schlangenart, bei der nachgewiesen wurde, dass die Fortsätze eine mechanosensorische Funktion besitzen. Mit diesen spürt die aquatisch lebende Schlange Fische auf.
Die Jagd erfolgt dabei über eine einzigartige Hinterhaltsmethode. De Fühlerschlange verwendet ihren Schwanz, um sich unter Wasser zu verankern, während ihr Körper eine charakteristische umgedrehte "J"-Form annimmt und so wie ein Pflanzenteil aussieht. In dieser Position kann sie gut eine halbe Stunde verharren, ehe sie wieder an die Luft zum Atmen muss. In ihrer "J"-Form ist der ideale Bereich für einen Angriff vom Kopf nach unten, etwas zum Körper hin. Sobald ein Fisch in diesem Bereich schwimmt, schlägt die Schlange zu.
Durch ihre Fühler nimmt die Schlange die Bewegungen des Fisches bereits vorweg und kann so ermitteln, wohin dieser versucht zu entkommen. Wenn der Fisch in die richtige Reichweite schwimmt, verursacht die Schlange eine Wasserverwirbelung im Wasser, indem sie einen Teil ihres Körpers nach hinten zum Hals bewegt und gibt sich so zu erkennen. Dieses gezielte Aufscheuchen löst beim Fisch einen Fluchtreflex aus, den sogenannten C-Start, bei dem der Fisch seinen Körper in eine "C"-Form verdreht. Im Regelfall würde ein Fisch durch den C-Start schnellstmöglich von der Gefahrenquelle davon schwimmen. Aber die Fühlerschlange greift zu diesem Zeitpunkt bereits den Fisch am Kopf, da sie dessen Bewegung durch die Fühler vorausahnen kann. Während andere Raubtiere ihre Beute nach deren Ausgangsposition versuchen zu erbeuten, erbeutet die Fühlerschlange ihre Beute in dem Wissen, wo sich diese befinden wird.
Vereinfacht gesagt, fängt die Fühlerschlange Fische, indem sie sie dazu bringt, reflexartig zu versuchen, in die falsche Richtung zu fliehen.
Für das Erlegen der Beute besitzt die Fühlerschlange ein spezielles Gift, dass seine größte Wirksamkeit bei Fischen zeigt, während es bei Säugetieren vergleichsweise harmlos ist. Zudem liegen die Giftzähne der Schlange besonders weit hinten im Rachenraum, wie für Trugnattern typisch, weshalb es nur selten zu Bissen dieser Schlange kommt.
Quellen
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