Im Jahr 2020, wurde ein neues Verhalten, bei denen (Großen) Schwertwalen (Orcinus orca), auch Orca genannt, beobachtet, als einige jugendliche Schwertwale anfingen, hauptsächlich Segelbooten zu rammen. Gelegentlich wurden auch Fischerschiffer und pneumatische Schiffe gerammt.
Insgesamt wurden zwischen Juli und November 2020 52 dieser Wechselwirkungen zwischen den Gewässern der Straße von Gibraltar und Galicien, einschließlich der Küste entlang Portugals, aufgezeichnet. Im Januar 2021 erweiterte sich das Vorfallgebiet bis an die Atlantikküste Marokkos mit zwei weiteren Fällen. Bis zum Ende des Jahres sollten es insgesamt 197 Vorfälle zwischen Orcas und Menschen werden. Im Jahr 2022 wurden 207 Interaktionen aufgezeichnet.
Bei diesen Angriffen konzentrierten die Orcas den größten Schaden auf die Ruderanlagen, sodass die Boote eingeschränkt oder gar nicht mehr manövrierfähig waren. Ebenfalls sind viele Angriffe auf Kiel und Rumpf dokumentiert, allerdings nicht so häufig, wie auf die Ruderanlage. Es scheint, dass Schwertwale die Funktion der Ruder verstehen und sie deshalb gezielt bzw. deutlich häufiger attackieren, als die größeren, leichter als Ziel zu treffenden Schiffsrümpfe.
Lange blieben diese Angriffe weitestgehend folgenlos, mit geringen Schäden.
Am 31. Juli 2022 wurde eine Segelyacht 11 Kilometer vor der portugiesischen Küste so oft und heftig gerammt, dass sie in Folge der strukturellen Schäden zu sinken begann. Die Crew setzte einen Notruf ab und evakuierte die Yacht.
Das MRCC (Marine Rescue Coordination Centre) Lissabon empfing den Mayday kurz nach Mitternacht, die fünf Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden.
Einige Monate später, am 1. November 2022 wurde erneut eine Segelyacht, etwa 22 Kilometer vor der portugiesischen Küste von Orcas eingekesselt und gerammt. Dieser Angriff dauerte rund 50 Minuten, wieder musste das sinkende Schiff, in Folge schwerer Wassereinbrüche im Rumpfbereich, evakuiert werden - wieder konnten, glücklicherweise, alle Besatzungsmitglieder gerettet werden.
Der letzte dokumentierte Angriff, zur Zeit der Veröffentlichung des Artikels, war am 11.04.2023.
Die Dunkelziffer der durch Orcas versenkten Schiffe ist vermutlich höher, als die bisher dokumentierten Fälle. Mehrere Schiffe sind in der Region durch ungeklärten Wassereinbruch gesunken.
Was die genaue Ursache für dieses Verhalten ist, ist nicht abschließend geklärt. Die Iberischen Schwertwale stehen unter enormen Konkurrenzdruck und Stress, weshalb vermutet wird, dass die Tiere im Sinne der Nahrungskonkurrenz so versuchen Nahrungskonkurrenten zu verringern. Auch wenn es sich dabei um echte Horror-Szenarien handelt (allein auf der See, das Schiff sinkt, es ist Nacht und eine Gruppe von 7 bis 10 Meter langen Raubtieren hat einen umzingelt), sollte nicht vergessen werden, dass der Orca in seinem Lebensraum, nach seinen Regeln spielt und wir in den seinigen eindringen und demnach uns ihnen anpassen müssen. Die Arbeitsgruppe Iberian Orca hat deshalb einen Verhaltenscodex entwickelt, für Bootsführer, der dazu beitragen soll, dass Boote sicher durch die entsprechenden Gewässer gelangen können und somit Boote, Bootsinsassen und Orcas sicher sind.
Quellen
- Bettina Wurche: Orcas, die Jachten rammen. In: spektrum.de. 22. Juni 2022, https://www.spektrum.de/news/orca-angriffe-wale-die-yachten-rammen/2029864 Abgerufen am 16.04.2023
- Natasha Donn: Five flee sinking sailboat after orca ‘intervention’ off Sines. In: Portugal Resident. 31. Juli 2022, https://www.portugalresident.com/five-flee-sinking-sailboat-after-orca-intervention-off-sines-coast/ Abgerufen am 16.04.2023
- Olivia Devereux-evans: Terrifying moment pod of seven orcas SINK a sailing yacht. 8. November 2022, https://www.dailymail.co.uk/news/article-11402947/Terrifying-moment-pod-seven-orcas-SINK-sailing-yacht-45-minutes.html Abgerufen am 16.04.2023
- https://www.orcaiberica.org/en/antecedentes Abgerufen am 16.04.2023
- https://www.orcaiberica.org/en/interacciones-registradas Abgerufen am 16.04.2023
- https://www.geo.de/natur/tierwelt/wie-in-schaetzings--der-schwarm---orca-angriffe-vor-spanien-nehmen-zu-33138742.html Abgerufen am 17.04.2023